Reisebericht Codacal 2019

von Dr. Enrico Trenkler

Im Einsatz in Kerala

Der Beginn unseres Einsatzes gestaltete sich etwas holprig. Da wir getrennt anreisten, war etwas mehr Organisation vonnöten, prinzipiell einfach, doch für indische Verhältnisse schon eine Herausforderung. Wir Zahnärzte trafen mit dem Zug in Tirur am 9.01.19 um 21.30 Uhr ein, wurden auch abgeholt, müssten natürlich noch ein Essen einnehmen, was vom Fahrer so bestimmt wurde und wurden dann erst einmal im Krankenhaus in Codacal in einem Patientenzimmer untergebracht.
Am nächsten Tag kam dann unsere Svanja (frisch ausgelernte ZMF) zu uns und wir verbrachten den 1.Tag mit Nichtstun, da unsere Ausrüstung wohl noch unterwegs zu uns, aber eben noch nicht da war. Da wir nicht weiterhin im Patientenzimmer untergebracht bleiben wollten, wurden wir in ein Hotel umquartiert, die krankenhauseigenen Unterkünfte, die uns ursprünglich versprochen wurden, waren wohl voll.
Am nächsten Tag passierte leider auch noch nichts, unsere Ausrüstung sollte erst gegen Mittag ankommen, allerdings nur die Hälfte. Da wir glücklicherweise sehr viel eigenes Material mitgebracht hatten und eine reparierte Einheit aus Deutschland hergeschleppt hatten, sind wir wenigstens einsatzbereit, letztendlich aber doch erst am folgenden Tag.
3.Tag: Endlich geht´s los, na ja noch nicht ganz, erst einmal alles einladen und Tee trinken. Frühstück haben wir abgelehnt, wollen ja los und haben fast 6 Stunden (150 km!) Fahrt vor uns. Nach 1 1/2 Stunden streikt unser indischer Begleiter und muss jetzt doch dringend essen. Also Pause, laut und umständlich wird für alle Frühstück bestellt, Kaffee gibt es erst danach, haben wir gelernt und bestellen in Zukunft ausdrücklich den Kaffee sofort (klappt aber nicht immer). Weiter geht´s. Treffen erst gegen 14 Uhr in Kannur ein und müssen natürlich wieder erst einmal essen. Allen Protesten zum Trotz bauen wir jedoch vor dem Essen unseren Behandlungsplatz auf. Ein Tisch für Materialien, ein Tisch als Behandlungsliege, Kleinigkeit essen und los geht’s!
Screening und die schwersten Fälle zuerst. Die Bedingungen sind nicht gerade leicht, kaum sauberes Wasser, unser rotes Winkelstück geht in die Knie und
wir können nur noch mit dem Blauen arbeiten. Gegen Abend kommen die Moskitos, arbeiten bis 22.30, hören dann auf und lassen kleine Läsionen unbehandelt zurück.
Müssen leider in ein Hotel mit äußert umständlichen „Aufnahmeritual“, da das Gästezimmer im Heim schon belegt ist.
Am nächsten Tag (Sonntag) natürlich 2 1/2 Stunden Kirche, anschließend Mittagessen und dann soll es 6 Stunden zurück nach Codacal gehen, um am folgenden Tag ebenfalls nichts zu tun und am darauf folgenden Tag wieder 4 Stunden in den Norden (also da wo wir schon sind) zu fahren. Wir beschließen in Kannur zu bleiben und schicken unseren Begleiter allein zurück, der nicht glauben kann, dass wir auch ohne ihn zurecht kommen. Wir verbringen statt dessen den nächsten Tag im Tholpetty-Nationalpark und sind am Morgen darauf pünktlich, wie vereinbart, um 10.00 Uhr an unserem nächsten Einsatzort Maputti, natürlich bevor unsere Ausrüstung eintrifft, die im „unvorhersehbaren“ Verkehr stecken geblieben ist. Die Ausrüstung kommt dann doch noch mit Verspätung und ist Gott sei Dank prinzipiell vollständig,nur dass sich die erwartete Alu-Transportbox auf wundersame Weise in einen alten zerschlissenen Pappkarton verwandelt hat.
Das wird auch die nächsten Tage so bleiben, da all unser Betteln und Flehen um einen adäquaten Ersatz einfach unerhört bleibt.
Die Kinder bereiten uns einen rührenden Empfang und wir behandeln unter freiem Himmel auf einer Art Bühne im Schulhof, was sich im Nachhinein als Fehler herausstellt.
A: sitzen wir irgendwann trotz Dach in der prallen Sonne,
B: werden wir der Kinderschar nicht mehr Herr, die uns immer näher auf die Pelle
rückt und unser Instrumentarium als sehr interessant entdeckt. Selbst ein eigens dafür eingestellter Aufpasser schafft es nicht, die Kinder zu bändigen und
C: ist es nicht gerade immer „pädagogisch wertvoll“, wenn alle Kinder eine nicht so einfache Behandlung mitbekommen bevor sie selbst an der Reihe sind.
In Zukunft sorgen wir für Behandlung in abgeschlossen Räumen (wird auch nicht immer klappen). Gegen 18 Uhr sind wir mit den Behandlungen durch, packen zusammen und fahren in unser Übernachtungsquartier bei einem Pfarrer, sauber, ordentlich, ausreichend.
Am nächsten Morgen Aufbruch nach Baliksadanam, liebevoller Empfang durch die Kinder. Auch hier viel zu tun bis in den Abend, fahren zurück nach Codacal Ankunft gegen 24.00 Uhr.
Am nächsten Morgen können wir etwas ausschlafen, was besonders unsere 5 jährige Tochter nötig hat, die wirklich tapfer all diese Strapazen mit erträgt und sich immer wieder toll mit den Kindern arrangiert. Frühstück in der Krankenhauskantine, dann werden wir von Chacko (dem Projektmanager) übernommen und ziehen los, dieses Mal in Richtung Süden, besichtigen sehr zur Freude unserer Tochter noch einen Elefantenpark, uns tun die Tiere eher leid, da sie in Ketten gefesselt kaum Bewegungsfreiheit haben...ein Park, den wir bei Selbstorganisation nie besucht hätten.
Eintreffen in Thrissur gegen 16 Uhr in einem Mädchenwohnheim, fangen jetzt noch an, bis spät in die Nacht hinein zu behandeln. Trotz der Arbeit bis in die Nacht, am nächsten Morgen 7.00 Uhr Abfahrt in ein Heim für geistig behinderte Kinder. Sie bereiten uns mit ihrer Musikgruppe einen herzzerreißenden Empfang. Nirgendwo anders als hier wird unsere Hilfe dringender gebraucht und auch dankend angenommen. Wir geben unser Bestes wieder bis in den Abend hinein und haben an diesem Abend ein wirklich gutes Gefühl im Herzen. Fahren zurück nach Thrissur, dort haben die Mädchen noch ein kleines Programm für uns vorbereitet und um 23.00 sollen wir dann wieder einmal essen.
Wir sind einfach nur platt und Melanie verweigert das Essen und fällt direkt ins Bett.
Am nächsten Morgen wieder 7.00 Uhr Start, wir tragen unser schlafendes Töchterchen in den Bus und los in die kalten Berge. Wir machen noch brav unterwegs einen Pflichtbesuch beim Bischof .
In einem kleinen Dorf in den Bergen ist unsere nächste Station. Aufbauen und behandeln bis am späten Abend der Strom weg ist.
Nächste Station Munnar, von dort aus wieder in ein kleines Bergdorf, wo wir wieder in einer kleinen Kirche behandeln, die so kalt ist, dass wir uns weigern die
Schuhe auszuziehen (was hier ein absolutes No Go ist), der Pfarrer verschwindet beleidigt, tut uns leid, aber wir sind es einfach nicht gewöhnt bei 10 Grad auf kaltem Stein barfuß zu laufen, zumal wir alle schon etwas erkältet sind.
Wieder erschwerte Bedingungen: Wasser und Abwasser weit weg und das braucht nun mal unsere Einheit. Dieses Mal ist schon um 17.00 Uhr Schluss, weil der ausgefallene Strom einfach nicht mehr zurück kehrt.
Am nächsten Tag ist mal Pause und Chacko versucht sich als Tour-Guide leider nicht sehr erfolgreich, da seine Ziele wieder ewiges Autofahren bedeuten und nicht wirklich unseren Geschmack treffen. An alle nach uns: Man muss nicht an den EchoPoint!!!, ein über 1 Stunde entfernter schmutziger Seitenarm eines angestauten Flusses, wo es neben ein paar schäbigen Tretbooten und Touristenständen nichts gibt, es sei denn, man hat Freude daran, wie ein Blöder zu schreien und darauf zu hoffen, dass ein Echo von der gegenüberliegenden Seite zurück kommt. Der Nationalpark nochmal eine Stunde in die andere Richtung hatte wegen gebärender Tiere verständlicher Weise geschlossen. Eine Vorabinformation im Internet hätte uns diesen Weg erspart. Um uns noch weiteres Autofahren zu ersparen, entschließen wir uns zu einem nahegelegenen Mini-Elefantenritt (immerhin) und den Besuch im Teemuseum.
Dann ist unser freier Tag auch schon rum.
Am nächsten Tag geht es nach Chelachvadu, einem Krankenhaus nicht mehr ganz so hoch in den Bergen, und wie sich herausstellen wird, die angenehmste Station unserer Reise. Wir bekommen einen blitze blanken OP-Saal mit Wasser und Strom und nochmal drei Krankenschwestern, welche sich um unsere Instrumente kümmern. Es wird sogar sterilisiert. Wir laufen zur Höchstform auf, bauen die zweite Einheit auf und unsere Svanja entfernt Zahnstein bis der Ultraschall glüht bzw. behandeln Melanie und ich gleichzeitig, fast schon wie in Deutschland. Trotzdem wird es auch hier wieder jedesmal 22.00 Uhr bevor wir ins Hotel kommen.
Nach diesen zwei Tagen geht es weiter nach Melukavu. Dort behandeln wir in einer Schule, wo aus den angekündigten höchstens 10 Kindern dann auf wundersame Weise über 30 und ein paar Lehrer werden und sogar dem Bischof persönlich eine Füllung verpasst wird.(Schweigepflicht wird in Indien nicht so ernst genommen)
Da die Kinder alle nach Hause gehen, wird es nicht ganz so spät, so dass wir es auch pünktlich auf 19.30 zum Abendessen mit dem Bischof schaffen.
Unser letzter Tag beginnt wieder in einem abgelegenen Kinderheim wo ca. 45 Kinder auf uns warten und wenn noch Zeit ist (!?) die Lehrer und Betreuer auch noch ein paar Extraktionen brauchen.
Wir geben noch einmal Alles, ohne fließend Wasser und wo das angeblich saubere Wasser aus dem Eimer herkommt wollen wir gar nicht wissen. Wiedermal essen wir in Etappen damit wir keine Zeit verlieren, für unsere Gastgeber wie immer völlig unverständlich.
Da es unser letzter Tag ist, wollten wir um 14.00 Uhr aufhören um dann in Ruhe alles zu säubern.
Es ist bereits 19.00 Uhr als ein Stromausfall uns wiedermal endgültig stoppt. Kein Wasser, kein Licht, was für ein krönender Abschluss. Wir versuchen unser Bestes und putzen so gut wir können alle Instrumente und die Einheiten. Unsere Nachfolger mögen uns vergeben. Wir haben alles Menschenmögliche für die Hygiene getan. Übernachten beim Bischof persönlich und am nächsten Tag werden wir nach Kochi gebracht, wo sich unsere Wege trennen.
Svanja bringt noch alle Materialien nach Codacal zurück und fliegt am nächsten Morgen nach Hause.

Viel Arbeit, viel Stress, viele Unwegbarkeiten, gewiss kein Erholungsurlaub, aber voll mit dankbaren Kindern und Lehrern, interessanten Erlebnissen und Erfahrungen. Nicht für Jedermann!!!

Dr. Enrico Trenkler